Ermittlungen gegen zweite Reihe der „Gruppe Reuß“

Die Bundesanwaltschaft hat Anfang Juni an mehreren Orten in Deutschland Häuser und Immobilienkomplexe durchsuchen lassen. Die Ermittler gingen dem Verdacht nach, dass Personen aus dem Umfeld der mutmaßlichen Rechtsterroristen der „Gruppe Reuß“ Waffen in großem Umfang versteckt haben könnten. Ein Teil der Ermittlungen wurden von den Generalstaatsanwaltschaften mehrerer Länder übernommen, die nun gegen die zweite Reihe der „Gruppe Reuß“ vorgehen.

Großeinsatz im Erzgebirge Anfang Juni: Mehrere Objekte in Seiffen und Pockau-Lengefeld sind in den Fokus der Generalstaatsanwaltschaft (GenStA) Dresden geraten. Auf Nachfrage von MDR Investigativ erklärte die Generalstaatsanwaltschaft, dass sie gegen zehn Personen in sieben Fällen wegen der Unterstützung beziehungsweise der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Im Seiffener Ortskern wurde an jenem Dienstag auch ein Haus durchsucht, das einen Geschenkeladen für erzgebirgische Holzkunst beherbergt.

SEK schießt Tür in Seiffen ein

Beamte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) schossen bei der Erstürmung des Hauses mit sogenannter „Breacher“-Munition die Eingangstür ein, weswegen zwischenzeitlich auch das Gerücht eines Schusswechsels kursierte. Spätestens nachdem im Mai 2023 ein SEK-Beamter bei einer Wohnungsdurchsuchung in Reutlingen durch einen Reichsbürger mit einem Sturmgewehr schwer verletzt worden war, geht die Polizei in diesem Milieu mit erhöhter Vorsicht vor.

Tatsächlich wurden bei den Durchsuchungen auch Waffen gefunden, die sich jedoch im „im legalen Besitz von bekannten Personen“ befinden, wie die Generalstaatsanwaltschaft Dresden erklärte. Betroffen von dem Einsatz waren ein Ehepaar sowie eine weitere Frau.

Ermittlungen auch im Landkreis Mansfeld-Südharz

Auch in Sachsen-Anhalt waren Ermittler unterwegs. Im Landkreis Mansfeld-Südharz durchsuchte die Polizei im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft Celle das Grundstück der 56-jährigen Katrin R. Bei R. soll es sich nach MDR-Informationen um eine ehemalige Polizistin handeln, die sich während der Corona-Pandemie in der regionalen Szene der Corona-Leugner engagierte. Nach eigenen Angaben hat R. in diesem Zusammenhang den Polizeidienst quittiert. Dem MDR liegen jedoch Dokumente vor, denen zufolge sie sich noch im Dienstverhältnis befinden könnte.

Im Zuge der Ermittlungen kam es offenbar auch bei ihrem Sohn zu einer Hausdurchsuchung, bei der im erheblichen Maße Betäubungsmittel festgestellt wurden. Die Aktivitäten von Katrin R. in diversen Chatgruppen sollen ebenfalls Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sein. Laut Aussagen eines Sprechers der Generalstaatsanwaltschaft Celle hat sich R. bislang nicht zu den Tatvorwürfen geäußert. Weitere Nachfragen wollte die Behörde nicht kommentieren.

„Heimatschutzkompanien“ aufgestellt

Nach MDR-Informationen soll es sich bei den Beschuldigten aus dem Erzgebirge um Personen handeln, die an Rekrutierungsveranstaltungen der „Gruppe Reuß“ für sogenannte Heimatschutzkompanien teilgenommen und in diesem Zusammenhang Verschwiegenheitserklärungen unterschrieben haben. Als „Heimatschutzkompanien“ werden bewaffnete Einheiten bezeichnet, die von den Reichsbürgern aufgestellt werden, nach dem Umsturz im Land für Ordnung und Sicherheit sorgen und die „Neutralisierung“ von „konterrevolutionären Kräften aus dem linken und islamischen Milieu“ vornehmen sollten.

An der Teilnahme an diesen „Heimatschutzkompanien“ interessierte Personen sollen auf Rekrutierungsveranstaltungen Verschwiegenheitsverklärungen unterschrieben haben, um zu garantieren, dass keine der geplanten Ziele an die Öffentlichkeit kommen. Diese Verschwiegenheitserklärungen wurden im Dezember 2022 bei Hauptverdächtigen des Verfahrens – unter anderem dem ehemaligen Olbernhauer AfD-Stadtrat Christian W. und Rüdiger von Pescatore – gefunden. Der ehemalige Bundeswehr-Offizier von Pescatore gehört zu den mutmaßlichen Rädelsführern der „Gruppe Reuß“ und steht in Frankfurt vor Gericht.

Katrin R. wiederum soll mit dem ehemaligen Kommando-Spezialkräfte-Soldaten Andreas M. in Kontakt gestanden haben, um in ihrer Region im Landkreis Mansfeld-Südharz eine eigene „Heimatschutzkompanie“ aufzustellen. Dafür soll sie bereits über 20 interessierte Personen zusammengesucht haben. Das geht aus Akten hervor, die MDR Investigativ einsehen konnte. M. gehört zur mutmaßlichen Führungsriege der „Gruppe Reuß“, die die Bundesanwaltschaft am Oberlandesgericht Stuttgart angeklagt hat.

Zweite Reihe der „Gruppe Reuß“

Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen die Personen aus dem Erzgebirge und aus Sachsen-Anhalt an die Generalstaatsanwaltschaften der Länder abgegeben. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden bestätigt auf Nachfrage: „Die Ermittlungsverfahren der GenStA Dresden entstammen dem Verfahren des GBA gegen die Vereinigung um Prinz Reuß u.a. Entsprechend sind in den hiesigen Ermittlungsverfahren auch die sogenannten ‚Heimatschutzkompanien‘ und ‚Verschwiegenheitserklärungen‘ Gegenstand der Ermittlungen.“

Rekrutierung für bewaffnete Einheiten wohl auf Rittergut

Die Rekrutierungsveranstaltungen für die „Heimatschutzkompanien“ sollen unter anderem in jenem Rittergut in erzgebirgischen Mulda stattgefunden haben, das das Bundeskriminalamt Anfang Juni auf Anweisung der Bundesanwaltschaft mehrere Tage lang durchsuchen ließ. Das Objekt gehört einem 73-jährigen Mann aus Baden-Württemberg, der ein ehemaliger Bundeswehrkamerad des Hauptangeklagten von Pescatore sein soll.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn und seine 63-jährige Partnerin „wegen Unterstützung einer inländischen terroristischen Vereinigung“. Die beiden sollen der Gruppierung um Heinrich XIII. Prinz Reuß und Rüdiger von Pescatore zum Jahreswechsel 2021/2022 Räumlichkeiten in Sachsen für die Durchführung der

Rekrutierungsveranstaltungen zur Verfügung gestellt haben. Außerdem heißt es weiter: „Die weibliche Beschuldigte soll zudem von Pescatore nach dessen Wiedereinreise nach Deutschland im Herbst 2021 ein Kraftfahrzeug überlassen haben.“

Nach Informationen von MDR Investigativ soll der ehemalige Olbernhauer AfD-Stadtrat Christian W. für das Rittergut in Mulda Schlüsselgewalt gehabt und dort ebenfalls Rekrutierungsveranstaltungen durchgeführt haben.